COVID-19-Impfung
Corona-Pandemie
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Studien und Fallberichte: Erhöhtes Risiko für Gürtelrose nach COVID-19-Impfung?

Männlicher Rücken mit Gürtelrose
Es wurden einige Fälle berichtet, in denen nach einer Coronaimpfung Herpes zoster diagnositiziert wurde. Wie beurteilt das PEI die Lage? |Bild: sakaj / AdobeStock

Lösen Corona-Impfungen Gürtelrose aus?“, diese Frage haben sich seit Beginn der Impfkampagnen gegen COVID-19 bereits einige Menschen in den sozialen Medien, aber auch Fachkräfte in der Arztpraxis und der Apotheke gestellt. Könnte tatsächlich ein Zusammenhang bestehen und die Impfung den Ausbruch eines Herpes Zoster begünstigen? 

„Das Paul-Ehrlich-Institut winkt ab“, schrieb dazu die „Deutsche Welle“ im Februar 2022 – allerdings unter Berufung auf den Sicherheitsbericht des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) vom 20. September 2021. Darin heißt es, dass sich für Herpes Zoster „aufgrund der Zahl der Meldungen an das Paul-Ehrlich-Institut kein Risikosignal innerhalb von 14 bzw. 30 Tagen nach allen vier zugelassenen COVID-19-Impfstoffen“ ergeben habe. Im aktuellen PEI-Bericht zu möglichen Nebenwirkungen von COVID-19-Impfstoffen wird Herpes Zoster gar nicht erwähnt.  

AkDÄ beleuchtet aktuelle Datenlage

Am 13. September 2022 hat nun die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) online in ihrer Publikation „Arzneiverordnung in der Praxis“ das Thema „Herpes zoster nach COVID-19-Impfung“ weitergehend beleuchtet. 

Dort verweist der Autor Prof. Dr. med. Axel Schnuch auch auf das PEI: „Das Paul-Ehrlich-Institut führte im Dezember 2021 im Rahmen des Sicherheitsberichts zu COVID-19-Impfstoffen eine Observed-versus-Expected-Analyse zu Herpes zoster (HZ) unter den COVID-19-Impfstoffen durch. Berücksichtigt wurden die Meldungen bis zum 30. November 2021 unter den vier damals verfügbaren Impfstoffen: Comirnaty®, JCOVDEN® COVID-19 Vaccine Janssen, Spikevax® und Vaxzevria®. Die berichtete Anzahl von HZ nach 14, 30 und 42 Tagen nach dem Impfen war niedriger als auf Basis der verwendeten Hintergrundrate statistisch zufällig zu erwarten wäre“, heißt es.

COVID-19 oder -Impfung: Was erhöht das Risiko für Gürtelrose?

Ist also nichts dran an den vermeintlich beobachteten Häufungen von Herpes Zoster nach COVID-19-Impfung? Oder hängt die beobachtete Häufung von HZ nicht mit der Impfung, sondern der Erkrankung COVID-19 selbst zusammen? Schnuch nennt eine aktuelle Studie aus den USA, die für diese Theorie sprechen könnte. Sie soll zeigen, dass Personen mit einer COVID-19-Diagnose ein 15 Prozent höheres Risiko für HZ hatten als Personen ohne COVID-19. Die Autoren der Studie kommen zu dem Schluss, dass die COVID-19-Diagnose bei über 50-Jährigen mit einem signifikant erhöhten Risiko für die Entwicklung von HZ verbunden war. 

Doch Schnuch führt auch zwei weitere Studien auf, die eher für einen Zusammenhang mit der Impfung gegen COVID-19 sprechen: Eine davon wurde im September 2021 im NEJM veröffentlicht. Darin wurde in Israel die Sicherheit des ersten Corona-Impfstoffs von Biontech und Pfizer untersucht. „Für eine HZ-Infektion ergab sich eine signifikante Risikoerhöhung [...], wohingegen die COVID-19-Erkrankung selbst in dieser Analyse nicht mit einem erhöhten HZ-Risiko assoziiert war“, erläutert Schnuch.  

Die andere umfangreiche Studie wurde im April 2022 im Lancet veröffentlicht. Es handelt sich um eine Fall-Kontroll-Studie aus Hongkong, die die HZ-Hospitalisierung nach Impfung untersucht hat. Geimpft wurden die Menschen entweder mit dem chinesischen CoronaVac- oder mit dem Biontech-Präparat. In der Folge „waren die Risiken für eine Hospitalisierung wegen HZ signifikant erhöht“, erklärt Schnuch. Im Ergebnis schätzten die Autoren der Studie, dass es für die Biontech-Impfung zu einem Exzess von sieben Hospitalisierungsfällen wegen HZ pro einer Million Impfdosen kommen könne. Jedoch sei das absolute Risiko für eine HZ-Hospitalisierung sehr gering, der Nutzen der Impfung gegen COVID-19 überwiege also.

Bekanntermaßen steigen die Inzidenz und die Schwere der HZ-Erkrankung mit zunehmendem Alter, vor allem ab 50 Jahren. Laut Schnuch deuten zahlreiche Fallberichte jedoch darauf hin, dass nach einer COVID-19-Impfung ungewöhnlich häufig jüngere Patienten von HZ betroffen sind. Welcher Pathomechanismus dahinterstecken könnte, wäre jedoch noch zu klären.

Was führt zu einer Reaktivierung der Varizella-Zoster-Viren?

Warum kam – angesichts solcher Daten – das PEI nun aber für Deutschland zu dem Schluss, dass HZ nach Impfung gegen COVID-19 nicht vermehrt auftritt? Schnuch vermutet, dass „die Empfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO) für eine Impfung gegen HZ bei älteren Menschen und Risikopatienten“ ein Grund dafür sein könnte, dass das PEI in Deutschland kein Sicherheitssignal erkennen konnte.

In der Ausgabe 6/2022 der Zeitschrift „Deutsche Dermatologie“ ist im Juni eine Fortbildung zum Thema Gürtelrose nach Coronaimpfung erschienen. Darin heißt es, dass eine Reaktivierung von Varizella-Zoster-Viren (VZV) „inzwischen für viele unterschiedliche Impfungen beschrieben“ sei, „etwa gegen Gelbfieber, Influenza, Hepatitis und Tollwut“. 

Der Artikel bezieht sich auf eine aktuelle Auswertung der globalen Datenbank „TriNetX“, unter anderem durch Wissenschaftler an der Charité in Berlin. Auch diese Auswertung spricht für ein erhöhtes Risiko für HZ nach einer COVID-19-Impfung. Allerdings betonen die Autoren der Untersuchung, dass neben Impfungen auch Infektionen zu einer Varizella-Zoster-Reaktivierung führen können und auch sie verweisen auf das geringe absolute Risiko. 

Als Fazit heißt es: „Wer aus Angst vor solchen Nebenwirkungen auf die Impfung verzichtet, hat nicht viel gewonnen. Besser wäre es, Patienten mit einem hohen Risiko für Herpes Zoster auch gegen Gürtelrose zu impfen.“

Herpes Zoster nach Shingrix-Impfung?

Allerdings wurden der AkdÄ auch schon Fälle über Zoster-artige Hautläsionen berichtet, die in engem zeitlichen Zusammenhang nach einer Impfung mit Shingrix® aufgetreten sind – also nach der Impfung gegen Herpes Zoster. 

Auch wenn der kausale Zusammenhang auch in diesem Fall (noch) nicht erwiesen ist, wurde bereits über mögliche Pathomechanismen nachgedacht: Da es sich bei der Shingrix®-Impfung um einen rekombinanten Untereinheiten-Impfstoff handelt, kann sie – anders als ein Lebendimpfstoff – nicht unmittelbar einen HZ hervorrufen. Vorausgesetzt, dass es sich tatsächlich in einigen Fällen um einen HZ handelt, sei aber denkbar, dass CD4-positive T-Lymphozyten VZV-Reservoirzellen angreifen und Mechanismen aufheben, die den Latenzzustand stabilisieren.  

Das PEI hat im März 2020 eine Beobachtungsstudie zu der Frage nach einem Zusammenhang von HZ und Shingrix®-Impfung begonnen – das Ende war für April 2021 geplant, veröffentlicht sind die Ergebnisse allerdings noch nicht. 

Das Thema einer möglichen Reaktivierung des Varizella-Zoster-Virus nach Impfungen wird also erforscht. Bis man wirklich eindeutige Aussagen treffen kann, wird es aber wohl noch einige Zeit dauern. Und: So interessant die Fragestellung aus wissenschaftlicher Sicht ist, sie sollte nicht dazu verleiten, sich deshalb nicht impfen zu lassen. 

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