Rezeptur
Praxiswissen
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Melatonin für Kinder: Welche Rezepturen gibt es?

Ein gefülltes Becherglas wird in ein Wasserbad gehalten
Die Apotheke des Uniklinikums Heidelberg hat eine Herstellungsvorschrift für eine Melatonin-Lösung entwickelt. Beim Lösen des Konservierungsmittels im Becherglas muss gegebenenfalls leicht erwärmt werden. | Bild: Schelbert/DAV

Melatonin ist ein körpereigenes Hormon, das in der Zirbeldrüse des Gehirns bei Dunkelheit gebildet wird. Die Substanz hat eine schlafinduzierende Wirkung und spielt eine wichtige Rolle bei der Steuerung des Schlaf-wach-Rhythmus.

Melatonin kommt in der Pädiatrie bei Schlafstörungen im Zusammenhang mit unterschiedlichen Erkrankungen vor. Bei Erwachsenen kommt der Wirkstoff auch zur Reduzierung von Angstzuständen und nach medizinischen Eingriffen zum Einsatz.

Bei Kindern werden meist 0,2 mg bis 5 mg Melatonin als Einzelgabe gegeben, die Dosierung wird vom Arzt individuell angepasst. Erwachsene nehmen je nach Körpergewicht zwischen 3 mg und 10 mg als Einzeldosis ein.

Welche Fertigarzneimittel gibt es?

In Deutschland sind Retardtabletten mit je 2 mg Melatonin zugelassen. Sie werden bei Erwachsenen ab 55 Jahren zur kurzzeitigen Behandlung von Schlafstörungen verwendet. Seit 2018 gibt es auch für Kinder und Jugendliche zwischen 2 und 18 Jahren entsprechende Präparate. Diese Retardtabletten enthalten entweder 1 mg oder 5 mg Wirkstoff.

Schnell wirkende flüssige Darreichungsformen stehen hingegen nicht zur Verfügung. Diese Lücke kann in der Apotheke durch Herstellung entsprechender Zubereitungen geschlossen werden.

Gut zu wissen: Nahrungsergänzungsmittel mit Melatonin

Zubereitungen mit Melatonin sind in Deutschland verschreibungspflichtig, trotzdem sind die Regale in Drogerie- und Supermärkten voll von Melatonin-Präparaten. Wie kann das sein? 

Bei diesen freiverkäuflichen Präparaten handelt es sich um Nahrungsergänzungsmittel. Für die Marktrücknahme von Nahrungsergänzungsmitteln sind nicht Bundesbehörden wie das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) oder das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) zuständig, sondern die Lebensmittelüberwachungsbehörden der einzelnen Bundesländer. Um ein entsprechendes Nahrungsergänzungsmittel vom Markt zu nehmen, müssen die jeweiligen Präparate von der Arzneimittelüberwachungsbehörde des Bundeslandes, in dem der Hersteller seinen Sitz hat, als Arzneimittel eingestuft werden. Zunächst muss also ein Gericht entscheiden, ob das Präparat eine pharmakologische Wirkung aufweist und es sich damit um ein Arzneimittel handelt. Eine getroffene Entscheidung ist nur für das konkrete Produkt bindend und bis zur endgültigen Klärung darf das Präparat weiter verkauft werden.

Melatonin als Rezeptursubstanz

Melatonin ist als Ausgangsstoff mit GMP-konformer Herstellung erhältlich. Das gelbliche Pulver löst sich schwer in Wasser, jedoch können flüssige Zubereitungen bis 1 mg/ml noch als Lösung hergestellt werden. Bei Konzentrationen über 1 mg/ml resultieren dagegen Suspensionen. 

Unter der Einwirkung von Licht verfärbt sich Melatonin. Flüssige Zubereitungen müssen daher in Braunglasflaschen abgefüllt werden.

Melatonin gelöst

Eine Lösung zum Einnehmen kann unter anderem nach folgender Vorschrift hergestellt werden:

50 ml Melatonin-Lösung 1 mg/ml
Melatonin0,05 g
Sorbitol-Lösung 70 % (nicht kristallisierend)13,0 g
Methyl-4-hydroxybenzoat0,075 g
Gereinigtes Wasser39,875 g

Quelle: Apotheke des Uniklinikums Heidelberg

Zur Herstellung wird zunächst das Konservierungsmittel Methyl-4-hydroxybenzoat abgewogen und in einem Becherglas in Gereinigtem Wasser gelöst, dabei muss gegebenenfalls leicht erwärmt werden. 

Als Nächstes wird die Sorbitol-Lösung dazugewogen. Anschließend kann das auf der Analysenwaage abgewogene Melatonin hinzugefügt werden. Das Becherglas wird nun mit einer Folie abgedeckt und die Flüssigkeit auf einem Magnetrührer bei rund 50 °C bis zum vollständigen Auflösen gerührt. Da die Konzentration des Wirkstoffs dem Lösungsmaximum entspricht, kann dieser Vorgang einige Stunden dauern. 

Abschließend werden mögliche Verdunstungsverluste mit Gereinigtem Wasser ergänzt und die klare Lösung in eine Braunglasflasche abgefüllt. Bei Lagerung bei Raumtemperatur beträgt die Aufbrauchsfrist der Zubereitung 3 Monate.

Gut zu wissen: Für Kinder keine Herstellung mit Konserviertem Wasser DAC

Zur Konservierung von Oralia kann in vielen Fällen auch Konserviertes Wasser DAC eingesetzt werden. Für pädiatrische Zubereitungen ist die Stammlösung aber nicht geeignet, denn Konserviertes Wasser DAC enthält neben Methyl-4-hydroxybenzoat noch den Ester Propyl-4-hydroxybenzoat. Dieser darf aufgrund einer östrogenähnlichen Wirkung bei Kindern nicht eingesetzt werden.

Lieferschwierigkeiten bei Sorbitol-Lösung: Was tun?

Die Herstellung der Melatonin-Lösung nach der zuvor genannten Vorschrift ist nur möglich, sofern alle Ausgangsstoffe auch verfügbar sind. Momentan ist die enthaltene Sorbitol-Lösung 70 % (nicht kristallisierend) allerdings nicht erhältlich. 

Zur Erinnerung: Was ist Sorbitol?

Sorbitol gehört chemisch zu den Zuckeralkoholen und besitzt etwa die Hälfte der Süßkraft von Saccharose. Die Substanz wird als Geschmackskorrigens und als Basis für Sirupe eingesetzt. 

In der Apotheke kann diese Lösung nicht einfach selbst hergestellt werden, da die industriell hergestellte Lösung nicht durch Auflösen von Sorbitol in Wasser, sondern durch katalytische Hydrierung von Stärkehydrolysaten gewonnen wird. Durch hydrolytische Spaltung von Stärke entstehen diese Stärkehydrolysate als Mischung verschiedener Zuckerabbauprodukte.

Bei Lieferschwierigkeiten kann in der Apotheke daher nur versucht werden, die Sorbitol-Lösung durch Sorbitol und Gereinigtes Wasser in den benötigten Mengen zu ersetzen. Da die normalerweise verwendete Sorbitol-Lösung wahrscheinlich auch die Löslichkeit von Melatonin verbessert, sollen so ähnliche Bedingungen zum Auflösen des Wirkstoffs geschaffen werden. Zunächst wird dazu Methyl-4-hydroxybenzoat und Sorbitol in Wasser gelöst, dann das Melatonin.

Wenn eine klare Lösung erhalten wird, kann die Zubereitung abgegeben werden. Lässt sich das Melatonin nicht vollständig auflösen, kann die Konzentration der Lösung verringert und dafür das Dosierungsvolumen angepasst werden. 

Herstellungsvorschrift für eine Suspension mit Melatonin

Als weitere Möglichkeit kann die gewünschte flüssige Zubereitung direkt als Suspension, also mit ungelöstem Melatonin, hergestellt werden. Dazu existiert im Neuen Rezeptur-Formularium (NRF) mit der Vorschrift 17.6. ein geprüfter Rezepturvorschlag. Der Wirkstoff wird dabei in einer viskosen Trägerlösung zu einer Suspension verarbeitet.

 100 ml Melatonin-Suspension 2 mg/ml (NRF 17.6.)
  Melatonin 0,2 g
 Hochdisperses Siliciumdioxid (200 m2/g) 0,1 g
 Grundlage für Suspensionen zum Einnehmen DAC zu 104,1 g

Bei der Herstellung werden die beiden Feststoffe Melatonin und Hochdisperses Siliciumdioxid zunächst getrennt voneinander mit der Suspensions-Grundlage angerieben. Dies ist notwendig, da bei einer gemeinsamen Verarbeitung leicht Pulveragglomerate entstehen, die sich dann nur noch schwer beseitigen lassen. 

Zur Zerkleinerung vorhandener Klümpchen wird zunächst das Hochdisperse Siliciumdioxid leicht verrieben und das feine Pulver mit rund der zehnfachen Menge an Grundlage angerieben. Dazu können Fantaschalen aus Glas oder Edelstahl eingesetzt werden, in beiden sind möglicherweise vorhandene Pulveragglomerate gut zu erkennen. 

In einer weiteren Fantaschale wird der Wirkstoff Melatonin mit wenig Grundlage angerieben. Als Richtwert gilt dabei eine Zugabe von ungefähr der fünffachen Menge an Grundlage. Eine stärkere Verdünnung ist zu vermeiden, da sonst leicht Agglomerate entstehen. Darüber hinaus sollte die Anreibung nicht zu stark an Schalenwand, Kartenblatt und Pistill verteilt werden, da diese sonst leicht eintrocknen kann. 

Beide Anreibungen werden anschließend vereinigt und mit der noch fehlenden Grundlage in zwei Anteilen bis zum Endgewicht aufgefüllt.

Grundlage für Suspensionen zum Einnehmen DAC für Kinder geeignet

Die als Trägerlösung verwendete Grundlage für Suspensionen zum Einnehmen DAC kann bereits fertig bezogen oder selbst in der Apotheke nach NRF-Vorschrift S.52. hergestellt werden. Diese Suspensions-Grundlage ist zur Versorgung pädiatrischer Patienten geeignet. Sie ist einfach zusammengesetzt und enthält keine kritischen Inhaltsstoffe für Kinder aller Altersstufen. Die Grundlage ist zudem für den Zusatz zahlreicher Wirkstoffe geeignet und kommt unter anderem zur Herstellung flüssiger Darreichungsformen für Kinder mit antibiotischen Wirkstoffen, Paracetamol und Ibuprofen zum Einsatz. 

Durch die viskose Grundlage wird die Sedimentation des Melatonins zwar nicht verhindert, der Zusatz von Hochdispersem Siliciumdioxid sorgt aber für eine gute Aufschüttelbarkeit des Sediments.

Verpackung und Kennzeichnung der Melatonin-Suspension

Zum Schutz des lichtempfindlichen Wirkstoffs wird die fertige Suspension in eine braune Glasflasche abgefüllt. Das Gefäß sollte mit einem kindersicheren Verschluss versehen werden. Um die Darreichungsform vor Gebrauch schütteln zu können, muss die Flasche dabei ausreichend groß gewählt werden. Als Richtwert gilt, dass das Gefäß doppelt so groß sein soll wie das Volumen der Zubereitung. 

Da die Melatonin-Suspension in kleinen Volumina dosiert wird, sind Dosierbecher oder Messlöffel zur Entnahme der Einzeldosis nicht geeignet. Eine genaue Entnahme des gewünschten Volumens ist durch Verwendung von Kolbenpipetten möglich. 

Durch das in der Suspensionsgrundlage enthaltene Kaliumsorbat ist die Zubereitung vor mikrobiellem Befall geschützt. Als Aufbrauchsfrist können daher 6 Monate angegeben werden. Die Kennzeichnung der Melatonin-Suspension erfolgt nach § 14 Apothekenbetriebsordnung. Quelle:
DAC/NRF-Rezepturhinweis Melatonin (12.07.2021)
Klinikum Uni-Heidelberg (09.12.2022)
NRF-Vorschrift 17.6.: Melatonin-Suspension 2 mg/ml
NRF-Vorschrift S.52.: Grundlage für Suspensionen zum Einnehmen
 

Beispieletikett für eine Melatonin-Suspension nach NRF 17.6 
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