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Schutz vor Diabetes: Milchkonsum auch bei Lacto­seintoleranz empfehlenswert?

Milch wird aus einer Glaskaraffe in ein Glas eingeschenkt
Der Konsum von Milch in gewissen Mengen kann sich auch bei Menschen mit Lactoseintoleranz positiv auf die Gesundheit auswirken. | Bild: alter_photo 

Zuckerunverträglichkeiten wie die weit verbreitete Lactoseintoleranz gehören zu den Nahrungsmittelunverträglichkeiten. Nach dem Verzehr von Milchzucker (Lactose) reagiert der Körper darauf mit entsprechenden Beschwerden. Betroffene leiden dann an mehr oder weniger starken Durchfällen, Blähungen und Bauchschmerzen.

Das liegt daran, dass der Milchzucker im Dünndarm nicht resorbiert werden kann, sondern in den Dickdarm weitertransportiert wird. In den unteren Darmabschnitten kommt es dann auf osmotischem Weg zum Einstrom von Wasser. Zudem bauen Darmbakterien den Zucker zu gasförmigen Substanzen wie Kohlenstoffdioxid, Wasserstoff und Methan ab.

Gut zu wissen: Chemie der Zucker

Chemisch gesehen gehören die Zucker zu den Kohlenhydraten. Die einzelnen Verbindungen werden überwiegend mit Trivialnamen benannt, erkennbar an der Endung -ose. 

Die einzelnen Kohlenhydrate können nach der Anzahl ihrer verbundenen Grundbausteine in Gruppen eingeteilt werden. Dabei sind die kleinsten Bausteine die Einfachzucker, auch Monosaccharide genannt. 

Im Dünndarm können grundsätzlich nur Einfachzucker wie Glucose, Fructose oder Galactose ins Blut aufgenommen werden. Größere Zucker wie Zweifachzucker (Disaccharide) bestehen aus zwei miteinander verbundenen Einfachzuckern und müssen erst in ihre einzelnen Bausteine zerlegt werden, um ins Blut zu gelangen.

Der bekannteste Zweifachzucker ist die Saccharose, bestehend aus einem Glucose- und einem Fructose-Baustein. Auch die Lactose (Milchzucker) gehört zu den Disacchariden und besteht aus den beiden Einfachzuckern Glucose und Galactose.

Aufnahme von Lactose durch Spaltung

Milchzucker wird überwiegend in den Milchdrüsen von Säugetieren gebildet: Beispielsweise enthält Kuhmilch rund 4,5 % Lactose, in Muttermilch beträgt der Anteil an Milchzucker 7 %. 

Zur Aufnahme von Lactose in den Dünndarm muss der Milchzucker erst durch das Verdauungsenzym Lactase in die beiden Einfachzucker Glucose und Galactose gespalten werden.

Säuglinge und Kleinkinder besitzen normalerweise genug Lactase, um den Milchzucker abzubauen und vertragen Milch daher gut. Im Laufe der Jahre nimmt die Aktivität des Verdauungsenzyms so weit ab, dass der Milchzucker weniger gut verdaut werden kann.

Wie unterscheidet sich das Vorkommen von Lactoseintoleranz?

In Bevölkerungsgruppen, die schon länger Milchwirtschaft betreiben, wird auch im Erwachsenenalter noch genügende Lactase gebildet. Dies bezeichnet man als Lactasepersistenz (LP) und kommt vor allem bei Menschen in Europa, Australien und Nordamerika vor.

In asiatischen Ländern oder in Afrika spielt Milch in der dortigen Ernährung praktisch keine Rolle und die überwiegende Anzahl der Erwachsenen bildet daher nur noch wenig Lactase. Diese niedrige Aktivität der Lactase wird auch als Lactase-Non-Persistenz (LNP) bezeichnet.

In Deutschland sind rund 15 % der erwachsenen Bevölkerung von einer Lactoseintoleranz betroffen und vermeiden meist den Konsum von Milch oder Milchprodukten.

Studie: Milchkonsum kann vor Diabetes schützen

Eine aktuelle Studie kam nun zu dem überraschenden Ergebnis, dass sich das Trinken von Kuhmilch positiv auf die Gesundheit bei lactoseintoleranten Personen auswirken kann. Die Ergebnisse dazu wurden kürzlich im Fachjournal „Nature Metabolism“ veröffentlicht. 

Ein Forscherteam vom Albert Einstein College of Medicine aus New York untersuchte dazu den Milchkonsum von rund 13.000 Männern und Frauen. Zuvor wurde ermittelt, ob die Teilnehmenden Milchzucker vertragen (LP-Gruppe) oder lactoseintolerant (LNP-Gruppe) sind. 

Über einen Zeitraum von sechs Jahren wurde das Darmmikrobiom und gewisse Blutwerte der Studienteilnehmenden genauer analysiert. Die daraus erhaltenen Daten zeigten, dass der Konsum von Milch bei LNP-Personen das Risiko an Typ-2-Diabetes zu erkranken, um rund 30 Prozent vermindert. 

Interessanterweise konnte dieser positive Effekt auf die Gesundheit bei Personen aus der LP-Gruppe nicht festgestellt werden. Die Aufnahme von Milch führte nur in der LNP-Gruppe zu einer Veränderung des Darmmikrobioms – wichtige Schutzkeime im Darm wie bestimmte Bifidobakterien kamen vermehrt vor und im Blut wurden Stoffwechselprodukte dieser Darmbakterien gefunden.

Lactoseintoleranz: Niedriger BMI durch Milchkonsum

Menschen die Lactose vertragen, verdauen den Milchzucker im Dünndarm und nehmen seine Einzelbestandteile ins Blut auf. Bei lactoseintoleranten Personen verbleibt der Milchzucker im Darm und steht bestimmten Bakterien als Nahrungsquelle zur Verfügung. 

Diese Bakterien vermehren sich und bilden Substanzen, die sich offensichtlich positiv auf die Gesundheit auswirken. Um welche Stoffe es sich dabei genau handelt, konnten die Wissenschaftler nicht herausfinden. 

Vermutlich beeinflussen kurzkettige Fettsäuren direkt oder indirekt den Appetit und damit das Essverhalten sowie die Wirkung von Insulin. Dazu passend wiesen LNP-Menschen durchschnittlich auch einen niedrigeren Body-Mass-Index (BMI) auf. 

Bei lactosetoleranten Personen könnte die Aufnahme von Milch sogar einen gegenteiligen Effekt haben: Da Milch sehr nahrhaft ist, wurde eher eine Gewichtszunahme beobachtet und damit sogar eine Zunahme des Diabetes-Risikos.

Gut zu wissen: Auch lactoseintolerante Menschen vertragen gewisse Menge an Milch

Auch wenn die Verträglichkeit für Milch individuell unterschiedlich ist, vertragen die meisten lactoseintoleranten Menschen bis zu zwölf Gramm Lactose pro Tag ohne Probleme. Das entspricht der Menge an Milchzucker in einem Glas Milch. Bei einigen treten dabei keine Beschwerden auf, andere tolerieren Symptome wie Flatulenzen und Bauchschmerzen. 

Die Einnahme lactosehaltiger Arzneimittel sollte daher für Personen mit Milchzucker-Unverträglichkeit kein Problem darstellen. Zahlreiche feste Darreichungsformen wie Tabletten oder Kapseln enthalten bekanntlich Lactose als Hilfsstoff, meist aber nur in geringen Mengen. 

Ein Mangel an Lactase bedeutet daher nicht unbedingt, dass keine lactosehaltigen Medikamente eingenommen werden dürfen. Falls Patienten besorgt sind und um die Compliance (Therapietreue) nicht unnötig zu gefährden, kann trotzdem auf vorhandene Präparate ohne Lactose ausgewichen werden.

Weitere Forschungen notwendig

Die durchgeführte Studie zeigt einen Zusammenhang zwischen der Auswirkung des Milchkonsums einer bestimmten Bevölkerungsgruppe auf das Darmmikrobiom und dem Einfluss auf die Gesundheit. Dabei besteht ein statistischer Zusammenhang zwischen der Aufnahme von Milch und dem Auftreten von Typ-2-Diabetes bei Menschen aus der LNP-Gruppe. 

Allerdings können daraus noch keine kausalen Schlüsse gezogen werden. Deshalb ist es auch noch zu früh, spezielle Empfehlungen zur Ernährung daraus abzuleiten. Quellen:
- https://www.nature.com/articles/s42255-023-00961-1
- https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2024/01/26/milchkonsum-bei-laktoseintoleranz-mit-verringertem-diabetes-risiko-assoziiert
- https://www.sciencemediacenter.de/alle-angebote/research-in-context/details/news/milchkonsum-bei-laktoseintoleranz-assoziiert-mit-verringertem-risiko-fuer-diabetes/