Aktuelles
5 min merken gemerkt Artikel drucken

Niedriges Impfniveau: FSME wird zur ganzjährigen und bundesweiten Gefahr

Zecken-Warnschild im Wald
Aufgrund des Klimawandels sind Zecken immer früher im Jahr anzutreffen. | Bild: Ronald Rampsch / AdobeStock

Nach wie vor gilt: Die meisten Fälle von Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) treten in den südlichen Bundesländern Baden-Württemberg und Bayern auf. Hier liegen die meisten FSME-Risikogebiete. Weitere Risikogebiete befinden sich unter anderem im südlichen Hessen und im südöstlichen Thüringen. 

Das heißt aber nicht, dass anderswo kein FSME-Risiko besteht. Es bedeutet nur, dass in anderen Regionen Deutschlands die Zahl der gemeldeten Fälle einen bestimmten Schwellenwert nicht übersteigt.

Ganz Deutschland ein FSME-Endemiegebiet

Auch in Bundesländern ohne FSME-Risikogebiete wurden im vergangenen Jahr vereinzelt FSME-Erkrankungen beobachtet. „Wir können für keine Region in Deutschland Entwarnung geben“, konstatiert die Zecken-Forscherin Prof. Dr. Ute Mackenstedt von der Universität Hohenheim. Ganz Deutschland müsse inzwischen als Endemiegebiet gelten, betont die Expertin.  

Das Robert Koch-Institut (RKI) hat aktuell drei neue Land- bzw. Stadtkreise zu Risikogebieten erklärt: den Landkreis Anhalt-Bitterfeld (Sachsen-Anhalt), den Landkreis Fürstenfeldbruck in Bayern sowie den Stadtkreis München. Damit sind nun insgesamt 178 Kreise in Deutschland als FSME-Risikogebiete ausgewiesen.  

Klimawandel begünstigt Ausbreitung von Zecken und FSME 

Die Zecke (der Gemeine Holzbock, Ixodes ricinus) überträgt durch ihren Stich das FSME-Virus. Seit einigen Jahren zeigen die Spinnentierchen eine zunehmende Aktivität. Mutmaßlich aufgrund des Klimawandels sind die kleinen Blutsauger immer früher im Jahr anzutreffen oder sind sogar ganzjährig aktiv. „Damit die Zecke im Winter nicht überlebt, braucht es richtig knackig tiefe Temperaturen, die auch einmal wochenlang andauern“, erklärt Professorin Mackenstedt. Ein paar Tage Frost im Winter reichen nicht.  

Zecken sind aber nicht nur jahreszeitlich, sondern auch räumlich gesehen aktiver geworden. So erobern sie inzwischen Regionen, die früher als zeckenfrei galten. Das betrifft vor allem Bergregionen bis 1.200 Meter. Hier kommen heute stabile Zeckenpopulationen vor.

FSME-Erkrankung nicht unterschätzen

Die Anzahl der jährlich gemeldeten FSME-Fälle ist schwankend und bewegt sich zwischen circa 200 und 700. Seit einigen Jahren zeigt sich eine steigende Tendenz. Im vergangenen Jahr erkrankten laut RKI-Meldedaten 546 Menschen an FSME.  

Die FSME sollte als Erkrankung nicht unterschätzt werden, warnt Prof. Dr. Gerhard Dobler vom Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr. Sogar bei Kindern könne sie einen schweren Verlauf nehmen. Bei ihnen werde häufig von einem uncharakteristischen Krankheitsbeginn berichtet, beispielsweise mit Symptomen wie bei einer Sommergrippe oder gar mit Darmsymptomen. Das führe immer wieder zu verspäteten Diagnosen.  

Gut zu wissen: FSME-Erkrankung

Ein Großteil der FSME-Infektionen verläuft symptomlos oder mild. Kommt es jedoch zur Erkrankung, macht sich diese nach einer Inkubationszeit von circa sieben bis 14 Tagen bemerkbar. Dann treten meist grippeähnliche Symptome auf. Wenn diese abklingen, kann die Infektion überstanden sein. Doch bei etwa zehn Prozent der Infizierten kommt es im Anschluss zu neurologischen Komplikationen wie

  • Hirnhaut- oder Gehirnentzündung mit hohem Fieber,
  • starken Kopfschmerzen,
  • Nackensteifigkeit und
  • Bewusstseinsstörungen.

Diese Symptome können monatelang anhalten. Etwa ein Prozent der Fälle endet tödlich.  

Die Ständige Impfkommission am Robert Koch-Institut (STIKO) empfiehlt eine FSME-Impfung für Personen, die in FSME-Risikogebieten zeckenexponiert sind. Auch in den Risikogebieten bewegen sich die Impfquoten auf niedrigem Niveau – insbesondere bei den über 60-Jährigen. Gerade diese Altersklasse hat ein deutlich erhöhtes Risiko für eine schwere Erkrankung.  

Fast alle Erkrankten ohne Impfschutz

Laut RKI waren 98 Prozent der 2022 gemeldeten FSME-Erkrankten gar nicht oder unzureichend geimpft. Ein hoher Anteil der auftretenden FSME-Erkrankungen könnte nach Expertenmeinung wahrscheinlich durch höhere Impfquoten – insbesondere in FSME-Risikogebieten – verhindert werden. Vor allem dort sollte die Bevölkerung verstärkt über den Nutzen einer FSME-Impfung aufgeklärt werden.

Rückläufige Impfzahlen in Risikogebieten

Auch Krankenkassen warnen vor der steigenden Zahl an FSME-Erkrankungen bei gleichzeitig niedrigem Impfniveau. So meldet etwa die BKK VBU einen Anstieg der FSME-Diagnosen ihrer Versicherten um fast ein Viertel vom Jahr 2019 bis zum Jahr 2022. Dennoch seien die bundesweiten Impfzahlen auf niedrigem Niveau. Demnach ließen sich jährlich nur circa drei bis vier Prozent der BKK-VBU-Versicherten gegen FSME impfen.  

Auffallend sei, dass in Bundesländern mit erhöhtem Infektionsrisiko wie Baden-Württemberg und Bayern, aber auch Hessen, Thüringen und Sachsen die Impfzahlen rückläufig seien. Nur in Brandenburg konnte die Krankenkasse eine deutliche Steigerung der Impfzahlen erkennen. Die BKK VBU weist darauf hin, dass auch Bewohner außerhalb der Risikogebiete an eine FSME-Impfung denken sollten, beispielsweise bei einem Urlaubsaufenthalt in Risikogebieten.

Voller Impfschutz nach drei Impfstoffdosen

Für den vollen FSME-Impfschutz sind drei Impfungen erforderlich. Nach der ersten erfolgt die zweite Impfung ein bis drei Monate später, die dritte Impfung fünf bis zwölf Monate danach. Durch Impfung nach einem Schnellschema kann ein Impfschutz auch kurzfristig erreicht werden, zum Beispiel vor einer Reise in ein Risikogebiet. Eine Auffrischimpfung wird je nach Alter nach drei bzw. fünf Jahren empfohlen, bei einer Schnellimmunisierung bereits früher. Quellen:
Universität Hohenheim; Robert Koch-Institut (RKI); BKK VBU